Richtig messen

Anmerkung: Die folgenden Hinweise gelten sinngemäß auch für Elektrorollstühle.

Rollstuhlmaße bestimmen

Eine grundsätzliche Voraussetzung zum optimalen Sitzen im Rollstuhl ist ein richtig angepasster Rollstuhl. Dazu müssen die notwendigen Körpermaße aufgenommen  werden, nach denen der Rollstuhl angefertigt, bzw. angepasst wird.

Beim Maß nehmen sollten Sie unbedingt Schuhe, Prothesen, Orthesen und andere Hilfsmittel, die im Rollstuhl getragen werden, berücksichtigen. Auch sollte man jetzt schon klären, welche Sitz- und Rückenkissen zum Einsatz kommen, da diese ebenfalls erheblichen Einfluss auf die Position des Nutzers im Rollstuhl haben.

Im Folgenden stellen wir Ihnen die Messverfahren für die wichtigsten Maße vor.

Da nicht alle Hersteller nach dem gleichen Verfahren messen, können Sie die ermittelten Werte nicht zur Bestellung eines Rollis nutzen. Dazu ist das jeweilige, vom Hersteller empfohlene Messverfahren anzuwenden. (Fachhändler!)

Sie können aber mit Hilfe dieser Hinweise überprüfen, ob Ihr aktueller Rollstuhl richtig dimensioniert ist.

Messverfahren Seitenansicht

Anpassungen und Einstellungen des Rollis sollten immer wieder mal überprüft werden, da sich die körperliche Konstitution ändern kann, aber auch mit wachsender Fahrpraxis die Fahrzeugbeherrschung sich verbessert. Fortgeschrittene RollstuhlfahrerInnen, die eine eher sportliche Fortbewegung wünschen, benötigen andere Einstellungen als Menschen, deren Fahrfähigkeiten noch nicht so entwickelt sind.

Frontansicht Messverfahren

 

Übersicht über die wichtigsten Maße

OK= Oberkante, VK= Vorderkante, AK= Außenkante

 
Messungam Nutzeram Rolli
Sitzbreite (SB) Breiteste Stelle des Beckens im Sitzen +2cm
Oberschenkel dürfen an den Seitenteilen anliegen
Gemessen zwischen AK Sitzrohre bzw. zwischen den Seitenteilen, in halber Sitztiefe und in Höhe der Sitzebene
Sitztiefe (ST) Oberschenkellänge gemessen vom Rücken bis in die Kniekehle, abzgl. 2-4cm VK Rückenrohr bis VK Sitzsystem (Sitzgurt, fester Sitz, Sitzpolster) gemessen in der Mitte des Sitzes
Sitzhöhe vorne (SHv) Unterschenkellänge plus die benötigte Bodenfreiheit für die Fußstützen (i.d.R. Unterschenkellänge +4 bis 7cm) abzgl. Höhe Sitzkissen Senkrecht vom Boden bis OK Sitzrahmenrohr vorne
Sitzhöhe hinten (SHh) Ergibt sich aus SHv, Sitzwinkel, und Sitztiefe Senkrecht vom Boden bis OK Sitzrahmenrohr hinten
Rückenlehnenhöhe (RH) Abhängig vom Behinderungsbild. Bei Selbstfahrern sollte OK Rückengurt max. 2 fingerbreit unter Schulterblatt liegen OK Sitzrohr bis OK Rückengurt
Unterschenkellänge (USL) Von Kniekehle bis UK Ferse (inkl. Schuhe) abzgl. Kissenhöhe OK Sitzrohr (Sitzplatte) bis OK Fußplatten

Hinweis:
Die gemessenen Werte am Nutzer müssen um die angegebenen Werte korrigiert werden. Die korrigierten Werte ergeben die technischen Maße am Rollstuhl.

Anmerkungen zu den einzelnen Maßen

 

Sitzbreite (SB)

Um bei dynamischer Fahrweise den Rollstuhl auch mit Hilfe von Bewegungen aus der Hüfte lenken zu können, und um einen optimalen Angriffswinkel auf die Greifreifen zu gewährleisten, sollte der Sitz möglichst schmal sein.

Folgen falscher Sitzbreite

zu breitzu schmal
  • ungünstiger Angriffswinkel auf Greifreifen (höherer Kraftaufwand, Gelenkverschleiß)
  • Mangelnde seitliche Führung des Beckens
  • größere Gesamtbreite
  • Druckstellen

 

Sitztiefe (ST)

Eine zu geringe Sitztiefe zieht Druckstellen in den Kniekehlen nach sich.

Dicke des evtl. zu verwendenden Rückenkissens beachten!

Folgen falscher Sitztiefe

zu tiefzu gering
  • Druckstellen können zu Durchblutungsstörungen führen
  • Ausweichbewegungen (nach vorne rutschen)  führen zu schlechterer Sitzhaltung
  • ungünstige Sitzhaltung bedingt ungünstige Ergonomie beim Antreiben
  • Beine strecken sich, Füße verlieren auf dem Fußbrett an Halt. -> Verletzungsgefahr
  • weniger Sitzstabilität
  • erhöhte Dekubitusgefahr wegen geringerer Auflagefläche der Oberschenkel. Dadurch erhöht sich der Druck auf den Po.
    (kleine Auflagefläche > höhere Drücke)

 

Sitzhöhe (SH)

Man unterscheidet zwischen vorderer (SHv) und hinter Sitzhöhe (SHh).

Die hintere Sitzhöhe bestimmt, wie tief man zwischen den Antriebsrädern sitzt. Damit wird auch der für den Benutzer erreichbare Teil des Greifreifens festgelegt. Zum optimalen Antreiben des Rollis ist ein möglichst großer Greifbereich erwünscht.

Die Sitzhöhe kann erst festgelegt werden, wenn klar ist, wie groß die Antriebsräder sind. Die um 90° angewinkelten Ellenbogen sollen etwa 2 cm über der OK des Reifens liegen.

Mit der vorderen Sitzhöhe legt man die Sitzneigung fest.

Bei beiden Maßen sollte man die Dicke der verwendeten Sitzkissen berücksichtigen!

Folgen falscher Sitzhöhe

zu hochzu niedrig
  • verkleinerter Greifbereich führt zu höherer Anstrengung durch höhere Schubfrequenz
  • Kippgefahr durch höheren Schwerpunkt
  • Ellenbogen berühren den Reifen
  • Belastung der Schulter- und Nackenmuskulatur durch notwendiges Hochziehen der Schultern

 

Rückenhöhe (RH)

Wichtig ist, dass die Rückenhöhe die Beweglichkeit der Schulterblätter nicht einschränkt, damit die Arme beim Antreiben des Rollis ohne Beeinträchtigung nach hinten durchschwingen können. Einen guten Kompromiss aus Stützfunktion und Bewegungsfreiheit bieten feste Rückenschalen, die in der Mitte höher und im Bereich der Schulterblätter niedriger sind.

Um den Oberkörper gut aufrichten zu können, sollte die Rückenlehne senkrecht zum Boden ausgerichtet sein.

Höhe des Sitzkissens bedenken!

Folgen falscher Rückenhöhe

zu hochzu niedrig
  • Bewegungsfreiheit der Schulterblätter eingeschränkt -> Arme können nicht mehr frei zurückschwingen
  • Oberkörper kippt nach vorne
  • weniger Rumpfabstützung führt u.U. zu geringere Sitzstabilität und schnellerer Ermüdung

 

Unterschenkellänge (USL)

Die Unterschenkellänge definiert die Lage des Fußbretts. Das Fußbrett dient als Widerlager der Stabilisierung des ganzen Körpers. Es sollte so eingestellt sein, dass die Oberschenkel fest auf dem Kissen aufliegen und die Schuhsohlen gleichzeitig fest auf dem Fußbrett stehen. Die Knie sollten einen Winkel von ca. 90° aufweisen.
Höhe des Sitzkissens bedenken!

Folgen falscher Fußbretthöhe

zu hochzu niedrig
  • Oberschenkel liegt nicht "satt" auf dem Sitzkissen auf
    -> geringere Sitzstabilität
    -> erhöhter Druck auf Sitzbeinhöcker, Dekubitusgefahr steigt
  • stärkere Hüftbeugung erschwert das Aufrichten des Oberkörpers
  • Füße haben zu wenig Kontakt zum Fußbrett
    ->weniger Halt und geringere Stabilität
    ->Gefahr des Abrutschens vom Fußbrett steigt
    -> Verletzungsgefahr
  • höhere Belastung der Sitzregion
    -> Gefahr v. Durchblutungsstörungen steigt
    -> Dekubitusgefahr steigt

 

Lesestoff

HerzogBuch 139

Bitte beachten Sie das Buch von Susanne Bröxkes und Ute Herzog (Hrsg.)Rollstuhlversorgung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen dem wir viele wichtige Hinweise verdanken.  Das Buch ist über den Deutschen Rollstuhl Sportverband e.V. (DRS) zu beziehen. (15,00€)

 

Susanne Bröxkes und Ute Herzog (Hrsg.)
Rollstuhlversorgung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Köln/ Hannef 2004
Eigenverlag des DRS e.V.
ISBN:3-9809245-0-5

 

Weiter Beschreibung zur Rollstuhlanpassung finden Sie in den Broschüren

Leider messen nicht alle Hersteller nach dem gleichen System. Beachten Sie deshalb bitte die herstellerspezifischen Anweisungen in den Bestellblättern, die meist online auf den jeweiligen Hersteller-Websites zur Verfügung stehen.