w SueAustin 2 b660Sue Austin auf Tauchfahr mit einem Rollstuhl! (Foto: http://www.susanaustin.co.uk/)

 

Denkansätze

Auf zu neuen Ufern!

In unserer Serie Neue Wege im Rollstuhlbau möchten wir Ihnen Orte zeigen und Geschichten erzählen, auf die man nur trifft, wenn man die vertrauten, ausgetretenen Pfade verlässt und sich mutig, bisweilen kühn eine Schneise außerhalb des Vertrauten und scheinbar Selbstverständlichen schlägt.

Auch wenn diese Orte meist nicht die Qualität eines All-Inclusiv-Sorglos-Pakets aufweisen, so zeigen Sie uns doch das Potenzial, das in ihnen steckt. Und da diese „Orte“ alle irgendwie rollen, zeigen sie uns auch die Unzulänglichkeiten unserer eigenen „Orte“, unserer Rollstühle.

Sie merken es schon, bei dem Versuch, das Wort „Rollstuhl“ zu umgehen, wird es schnell krampfig.

Rollstuhl - ein belasteter und belastender Begriff

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Das Interessante daran ist, dass man vielleicht tatsächlich einen anderen Begriff für Rollstuhl braucht, um diese Fahrzeuge aus der Umklammerung all der negativen Konnotationen herauszuholen. An den Rollstuhl ist man gefesselt, er steht für Verlust  an Selbstständigkeit, Leid und Unglück. Ein Rollstuhl ist immer etwas, das man auf keinen Fall haben möchte.
Natürlich hilft es wenig, einfach die Bezeichnung zu ändern, man muss auch die Konotationen ändern. Ein Weg dazu könnte eine geänderte Formensprache sein.

Die Frage könnte also lauten:
Wie soll ein Fun-und Freizeitgerät beschaffen sein, dass neue Wege mobiler Aktivitäten für alle ermöglicht? Und eben nicht nur für Menschen mit Behinderung. (Ein Aufzug wird auch nicht nur von „Behinderten“ genutzt!)

Anders denken

Es ist interessant zu sehen, dass nahezu alle Innovationen im Rollstuhlbau von außerhalb des Bereichs kommen, in dem man sich gewöhnlich mit Hilfsmitteln beschäftigt.

Meist sind und waren es Menschen, die sich mit eigenen körperlichen Einschränkungen auseinander zu setzten hatten, oder die solche Probleme im Freundes- oder Familienkreis hatten.

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Aus solchen ursprünglich Selbsthilfeprojekten sind teilweise bedeutende Rollstuhlhersteller hervorgegangen. Als Beispiel seinen hier Rainer Küschall für die Fa. Küschall, und Errol Marklein, Winfried Sigg und Jürgen Geider für die Fa. Sopur genannt. Alle waren Ende der 70er Jahre im Behindertensport aktiv und auf der Suche nach geeigneten Fahrzeugen, die sich auch sportlich bewegen ließen. Bis Ende der 1970er Jahre gab es im Bereich der manuellen Rollstühle nur schwere und zum Selbstfahren nahezu ungeeignete Roll-Monster. Über die Entwicklung von Sportrollstühlen fand man dann zur Entwicklung von „Aktivrollstühlen“ für den Alltagsgebrauch.

Was diese Entwickler antrieb und was, wie mir scheint, bis heute Voraussetzung für innovative Entwicklungen ist, war, dass sie vorgegebene Wege verließen und scheinbar Selbstverständliches aufbrachen.

Bis weit in die 1970er Jahre war es gängige Praxis, Menschen mit Querschnittlähmung ins Bett zu legen und sie dort bis zu ihrem Lebensende zu belassen. Sich vorzustellen, dass das auch anders ginge, dass man trotz Behinderung aktiv am Leben teilnehmen, ja sogar Sport treiben könne, war also alles andere als selbstverständlich.

Betrachtet man die Entwicklung im Elektrorollstuhlbau, so fällt auf, dass es seit Jahrzehnten am gleichen Grundkonzept herumentwickelt wird. Viele der Entwickler leiten gerade aus dieser, teilweise Jahrzehnte währenden („Entwickler-“) Tätigkeit ihr Spezialistentum ab. Dass ihnen dabei keine entscheidenden Verbesserungen gelungen sind, wird gerne als Beweis angeführt, dass die Fahrzeuge sowieso schon optimal seien.

Versucht man anderswo derartige Probleme durch das Hinzuziehen junger und unvorbelasteter Entwickler zu umgehen, scheint die E-Rollstuhlbranche geradezu auf Stagnation zu setzen:
Es gibt keinen Grund bessere Rollstühle zu entwickeln, solange alle „die Füße still halten“ und kein Hersteller Geld in die Entwicklung neuer Konzepte steckt. Geld lässt sich auch mit den bestehenden Rollis verdienen! Der Kunde hat halt dann nur die Wahl zwischen ungefähr gleich schlechten Rollis. (Sofern er überhaupt eine Wahl hat. Siehe Versorgungsprozess)

IIm Folgenden will ich Quer- und Mitdenker vorstellen, die durch ihren engagierten Einsatz neue Wege in der Weiterentwicklung von Mobilitätshilfen eröffnen.