Erahrungsbericht
Alber e-motion M15
Kraftverstärkender Zusatzantrieb

Kann man als Nutzer eines „klassischen“ E-Rollis einen Bericht über die Er-fahr-ungen mit einem manuellen Rollstuhl mit kraftverstärkendem Zusatzantrieb schreiben?
Diese Frage stellte sich mir, als ich die Möglichkeit bekam einen Alber e-motion M15 Antrieb zu „testen“. Die Schwierigkeit schien mir dabei zu sein, dass ich mangels Armkraft ein „lausiger“ Aktiv-Rolli-Fahrer bin und deshalb die Vor- und Nachteile eines derartigen Antriebs gar nicht wirklich bewerten könne.
Andererseits ist diese Art von Antrieb ja gerade für Leute mit Muskelschwächen höchst interessant. Nach einigem Hin- und Her beschloss ich dann, das Angebot anzunehmen und mir den e-motion M15 während eines Reha-Aufenthalts näher anzusehen. Es zeigte sich schnell, dass dies ein weiser Entschluss war, waren doch die zurückzulegenden Wege innerhalb der Reha-Einrichtung sehr sehr lang, - mit Hilfe der Zusatzantriebe aber easy zu bewältigen.
Aber der Reihen nach.


Die Basis
Als Basisrollstuhl diente mein eigener Küschall Compact, ein einfacher, stabiler Faltrollstuhl, der wegen seiner recht guten Einstellmöglichkeiten den Aktiv- oder Adaptivrollstühlen zugerechnet wird.
Die Umrüstung
Der e-motion passt an nahezu alle manuellen Rollstühle.

2= Achsaufnahme
3= Kippstützenaufnahme
Um den in der Radnabe integrierten Elektromotor benutzen zu können, müssen zunächst die original Stechachsenaufnahme um ein spezielles Halterungsset von Alber erweitert werden. (Umbau im Sanitätshaus oder direkt im Werk). Dieses Halterungsset besteht aus einer Halterung und einer Drehmomentstütze, welche das Drehmoment vom Motor auf den Rollstuhl überträgt. Die Halterung ist so flexibel einsetzbar, dass auch weiterhin verschiedene Sturzvarianten (anhängig vom Rollstuhltyp und Nutzergewicht) sowie verschiedene Radpositionen möglich sind, um den Schwerpunkt optimal einstellen zu können. Zusätzlich bietet Alber spezielle Kippstützen (inkl. Kippstützenhalterung) an, welche anstatt den Hersteller-Kippstützen eingesetzt werden können. (Leider nur optional)
Original- oder Alber Kippstützen sind wegen des hohen möglichen Drehmoments (abhängig von der Steuerungseinstellung) sehr zu empfehlen. Alber schreibt in seiner Gebrauchsanweisung die paarweise Verwendung von Kippstützen (Original Hersteller- oder Alber Kippstützen) vor, um die Anforderungen aus aktuellen Normen ISO 12184 bzw. ISO 7176 bezüglich statischer und dynamischer Stabilität zu erfüllen.
Gerade für weniger geübte Piloten kann das hohe erreichbare Drehmoment leicht zu einem „Wheely“ (Hochstart) führen, der dann ohne Kippstützen schnell mit einem Überschlag nach hinten endet.


Die Alber Kippstützen dienen gleichzeitig als Aufbockhilfe. Das ist sehr praktisch, will man die Räder abnehmen (z.B. zum Transport). Das Abnehmen der Räder erfolgt wie gewohnt, durch Drücken des Entriegelungsknopfes an der Radnabe und einfaches Abziehen der Räder. Keine Kabel oder sonstige Verbindungen müssen getrennt werden, man nimmt einfach das komplette Antriebsrad ab. (ca. 11kg pro Rad) und steckt seine Originalräder wieder auf. Dies ist vor allem zu Hause ganz praktisch, wenn enge Türrahmen die Nutzung eines breiteren Rollis verhindern. Zwar verbreitert der e-motion M15 insgesamt den Rollstuhl nur um 2-4 cm (abhängig vom Rollstuhltyp) – manchmal ist das aber schon zuviel!
Unsere e-motion Antriebe sind montiert, die Akkus geladen und nun kann es losgehen.
Fahrbetrieb

Um loszulegen müssen die Motoren erst mal eingeschaltet werden. Hier kommt die optional erhältliche Fernbedienung zum Einsatz. Damit können die völlig unabhängig voneinander arbeitenden e-motion M15 Räder gleichzeitig ein- und ausgeschaltet werden. Zusätzlich können über die Fernbedienung zwei verschiedene Unterstützungsstufen (indoor & outdoor) eingestellt sowie die Rückrollverzögerung aktiviert werden. Das Display informiert über den aktuellen Stand der Akku-Kapazität und teilt dem Fahrer Fehlercodes mit, falls mal ein Problem vorlegen sollte.
Hat man keine Fernbedienung lassen sich die e-motion Räder auch direkt am Rad an- und ausschalten. Ein Aktivieren der Rückrollverzögerung oder das Umstellen der Unterstützungsstufen ist dann aber nicht möglich.
Ich starte, erst mal vorsichtig in der Fahrstufe 1, die werkseitig auf langsame Fahrt eingestellt ist. Wie gewohnt, treibe ich den Rolli über die Greifreifen an und merke deutlich, dass da noch eine andere Kraft im Spiel ist. Kaum hat man den Greifreifen etwas nach vorne bewegt, setzt der Motor ein und schiebt auch noch einen kurzen Augenblick, nachdem man den Greifreifen schon wieder losgelassen hat. Komisches Gefühl!

Und schon geht es in die falsche Richtung! Statt geradeaus, fahre ich leicht nach links! Also links noch mal etwas mehr geschoben und rechts das Rad leicht verzögert. Kurskorrektur!
Dummerweise fahre ich nun nach rechts. So geht es erstmal in Schlangenlinien den langen Flur in der Reha-Klink hinunter. Nach 30 oder 40 Metern habe ich den Bogen raus. Ich schiebe nur noch leicht die Greifreifen an und achte darauf, gleichzeitig beide Reifen anzutreiben. Das ist leichter gesagt, als getan! Ich fahre zwar noch immer nicht richtig geradeaus, aber immerhin stimmt der Kurs!
Mutig geworden wähle ich nun auf meiner Fernbedienung die Fahrstufe 2.
Hier geht es dann gleich ordentlich zur Sache. Die Motoren treiben den Stuhl deutlich spürbar nach vorne und schieben auch nach dem Loslassen der Greifreifen kräftiger und länger als in der Fahrstufe 1. Eigentlich genau das richtige Tempo für die ewig langen Flure. Leider fahre ich wieder ziemliche Schlangenlinien, sodass die Mitpatienten schon rätseln, ob ich gerade aus der Kneipe käme.
Die höhere Geschwindigkeit erfordert ein noch synchroneres Antreiben der Greifreifen. Das will geübt sein. Also den Flur rauf und runter, bis die Linie halbwegs stimmt.
Es zeigte sich, dass mein gewohnt festes Zupacken an den Greifreifen nicht nötig ist und eher dazu beiträgt, den Rolli ungleichmäßig anzutreiben. Ein relativ leichter Impuls auf die Greifreifen reicht aus, um den Rolli anzutreiben.
Exkurs Technik
Rückrollverzögerung:
Damit lassen sich steile Steigungen und Rampen sicher befahren. Sie kann nur mit der Fernbedienung aktiviert werden.
Bei aktivierter Rückrollsperre hat man 5 Sekunden Zeit, um an den Greifringen umzugreifen. Solange wird das Zurückrollen des Rollis an Steigungen blockiert.
Akkus und Ladegerät

Im e-motion M15 sind Lithium Ionen Akkus mit einer Kapazität von 6 Ah pro Rad verbaut. Sie sind in die Radnaben integriert, so dass keine zusätzliche Akkubox am Rolli befestigt werden muss.
Diese Akkus zeichnen sich durch hohe Energiedichte aus (geringes Gewicht bei hoher Kapazität). Alber gibt an, dass damit 1.200 – 1.400 Ladezyklen möglich seien, d.h. wenn jeden Tag die Akkus leer gefahren und wieder geladen würden, wiesen sie nach 3 Jahren immer noch eine Kapazität von 80% auf.
Das Ladegerät arbeitet absolut lautlos und ist damit „schlafzimmergeeignet“. Die Akkus bleiben beim Ladevorgang im Rad.
Motor
Bei den e-motion M15 Motoren handelt es sich um bürstenlose Gleichstrommotoren.

Bei herkömmlichen Elektromotoren dieser Bauart (Außenläufer) dreht der Rotor mit den Permanentmagneten und bildet das äußere Motorengehäuse (Glocke), an dem die Speichen befestigt sind. Der innere Teil des Motors, mit den Wicklungen (Stator), steht fest (Anker) und ist mit dem Rollstuhl an der Drehmomentstütze fest verbunden.
Alber weicht von diesem Aufbau ab. Anders als bei den klassischen Außenläufern dreht sich die Radnabe inklusive Wicklung, Akku sowie Elektronik (Rotor), während die Achsenaufnahme sowie die Permanentmagnete fest (Stator) mit dem Rollstuhl verbunden sind. Dadurch eine zuverlässige elektrische Verbindung zwischen der äußeren Sensorik und innenliegenden Elektronik hergestellt und auf Schleifkontakte (Kohlen, Bürsten) verzichtet werden.
Damit ist, mit Ausnahme des Wellenlagers, der bürstenlose Motor völlig verschleißfrei.
Mehr zu bürstenlosen Motoren gibt es z.B. hier: Beitrag #7
Auf der Abbildung rechts ist der Kranz mit den Schlitzen zur Aufnahme der Drehmomentstütze (s.o.) gut zu erkennen. Das erlaubt, das Rad ohne Fummelei aufzustecken. Die Stege der Drehmomentstütze finden nach leichtem Hin-und Herbewegen des Rades sofort ihren Platz.
Sensitiver Greifreifen
Die Greifreifen „erkennen“ mit welcher Kraft sie angetrieben werden. Das geschieht, indem die Greifreifen mittels Federelementen so an der Felge befestigt sind, dass Sie sich in einem kleinen Bereich mit oder gegen die Drehrichtung bewegen lassen. Ein Sensor misst die Kraft, mit der der Greifreifen beim Anschieben aus der Nulllage heraus bewegt wird. Die Federn stellen den Greifreifen nach dem Anschieben wieder in Null-Stellung.


Über die Steuerelektronik lässt sich die das Drehmoment (Kraft), mit der man den Greifreifen anschieben muss, um den Motor zu aktivieren, einstellen.
Nach den ersten Fahrversuchen und jeder Menge Kollisionen mit Aufzugstüren, Zimmereinrichtung, Therapeuten (Sorry Frau Muhtlhaupt!) und Mitpatienten (Sorry Angela!), hatte ich den Rolli soweit im Griff, dass ich schon recht gut da hin kam, wo ich hinwollte. (Mein Ruf eilte mir voraus und schuf Platz!)
Was mich irritierte, war, dass es auch in der langsamen Fahrstufe schwer war, in beengten Verhältnissen zu manövrieren, ohne ständig irgendwo gegen zu knallen. Die Motoren trieben den Rolli auch nach dem Loslassen der Greifreifen noch an, so dass ich nur durch beherztes Festhalten der Greifreifen einen Zusammenprall mit Mensch und Mobiliar vermeiden konnte.
Das Festhalten hatte aber dann den Effekt, dass der Rolli plötzlich rückwärts fuhr. Die Sensoren verstanden mein Blockieren der Räder als Befehl rückwärts zu fahren! Und weil ich die Greifreifen ungleichmäßig anhielt, fuhr ich dann eben rückwärts eine Kurve! Wieder greife ich „in die Eisen“ und prompt passiert das gleich noch einmal, nun allerdings vorwärts.
Am Ende hatte ich einige Stühle verschoben, der Tisch stand schräg und meine Klamotten lagen auf dem Boden. Das Ganze hatte etwas von einer sich verselbstständigenden Maschine und erinnerte mich stark an den Film „Dark Star“. Glücklicherweise ohne den ganz großen Knall…
Um die Klinik nicht komplett zu Klump zu fahren, nahm ich mir die Einstellung der Steuerungsparameter vor.
Einstellen der Steuerungsparameter
Eigentlich ist die Einstellung der Steuerung Sache der Fachhändler. Alber will diese Arbeit aus Haftungsgründen nicht seinen Kunden überlassen. Deshalb bekommen i.d.R. nur die Fachhändler den zum Einstellen notwendigen Schlüssel und das dazugehörige Handbuch. Das eigentliche Einstellen der Fahrparameter ist jedoch recht einfach. Schwieriger hingegen ist das Heraustüfteln, welche Einstellungen am Geeignetsten sind.
Die Einstellmöglichkeiten im Einzelnen
Sensitivität der Greifreifen
Man kann einstellen, welche Kraft auf die Greifreifen wirken muss, um die Motoren zu aktivieren. Die Einstellungen sind für das linke und das rechte Rad unabhängig voneinander möglich, so dass man theoretisch auf unterschiedlich kräftige Arme reagieren kann. Allerdings müsste dann der Unterschied in der Armkraft mit einer der 5 möglichen Einstellungen übereinstimmen.
Besser schiene mir hier eine stufenlose Verstellmöglichkeit.
Anlaufzeit
Durch den Impuls beim Anschieben des Greifreifens wird der Motor aktiviert. Mit der Anlaufzeit legt man fest, wie lange der Motor braucht, um sein höchstes Drehmoment zu erreichen. Kurze Anlaufzeit bedeutet abruptes Anfahren (evtl. mit Wheely!), lange Anlaufzeit bedeutet sanftes Anfahren.
Kraftunterstützung
Hier stellt man die max. Kraft (Drehmoment) ein, mit der der Motor das Anschieben unterstützt. Will man selbst aktiv mitarbeiten, stellt man einen geringen Wert ein, soll der Motor stärker unterstützen (z.B. für das Bewältigen von Steigungen und bei geringer eigener Kraft), wählt man höhere Werte.
Nachlaufzeit
Während die Anlaufzeit die Zeitspanne bis zum Erreichen des max. Drehmoments beschreibt, bezeichnet die Nachlaufzeit die Zeitspanne, in der das max. Drehmoment gehalten wird und sich dann wieder langsam abbaut. An engen, schwierig zu passierenden Stellen, sind kurze Nachlaufzeiten von Vorteil. Der Rolli wird weniger lange angetrieben. Hat man freie Bahn und besonders bei Steigungen, sind lange Nachlaufzeiten die bessere Wahl.
0 | Sensitivität des Greifreifen links | in fünf Stufen von wenig Muskelkraft erforderlich bis 100% Muskelkraft erforderlich einstellbar. Unterschiedliche Werte für links und recht möglich. |
1 | Sensitivität des Greifreifen rechts | |
2 | Lautstärke des Signaltons | Eingabebestätigung, Warnton |
3 | Anlaufzeit (Fahrstufe 1) |
Anlaufzeiten von 0,3 bis 1,2 sec in 5 Stufen einstellbar |
4 | Max. Drehmoment (Fahrstufe 1) | Leistung mit der der Motor die Anschubbewegung des Fahrers unterstützt. Von 30% bis 70% Motorunterstützung in 5 Stufen einstellbar |
5 | Nachlaufzeit (Fahrstufe 1) | Nachlaufzeiten von 0,5 bis 1,5 sec in 5 Stufen einstellbar |
6 | Anlaufzeit (Fahrstufe 2) |
Anlaufzeiten von 0,5 bis 1,5 sec in 5 Stufen einstellbar |
7 | Max. Drehmoment (Fahrstufe 2) | Leistung mit der der Motor die Anschubbewegung des Fahrers unterstützt. Von 60% bis 100% Motorunterstützung in 5 Stufen einstellbar |
8 | Nachlaufzeit (Fahrstufe 2) | Nachlaufzeiten von 1,8 bis 4,0 sec in 5 Stufen einstellbar |
9 | Selbstabschaltzeit des Rades | Zeit bis zum automatischen Abschalten von 5 Min bis 120Min in 5 Stufen einstellbar |
Auch wenn das Einstellen der Parameter selbst sehr einfach ist, so ist das Herausfinden der optimalen Einstellung mit sehr viel Ausprobieren verbunden und zudem abhängig von der Erfahrung im Umgang mit dem e-motion. Wie ein Händler die optimalen Einstellungen für seinen Kunden „mal eben so“ herausfinden soll, ist mir schleierhaft. Und kommt man alle Daumen lang erneut, um die Parameter optimieren zu lassen, ist der Ärger vorprogrammiert.

Es zeigte sich nach einigem Herumprobieren, dass folgende Einstellungen für mich passend waren passend waren:
Diese Einstellungen erlaubten mir in beiden Fahrstufen einen relativ hohen Anteil an eigener Aktivität und waren für die Nutzung innerhalb der Klinik ideal. (Fahrstufe 1 für Engstellen wie Restaurant und Zimmer, Fahrstufe 2 für die ewig langen Gänge)
Auf diese Art erreichte ich eine Art Trainingseffekt und forderte meine geschwächte Muskulatur gerade soviel, dass sich die Kraftanstrengung nicht kontraproduktiv auswirkte.
Fahrstufe 1 | Anlaufzeit | 2/5 (ca. 0,5 sec) |
Kraftunterstützung | 2/5 (40% des max. Drehmoments) | |
Nachlaufzeit | 1/5 (ca. 0,8 sec) | |
Fahrstufe 2 | Anlaufzeit | 2/5 (ca. 0,7 sec) |
Kraftunterstützung | 2/5 (70% des max Drehmoments) | |
Nachlaufzeit | 2/5 (ca. 2 sec) | |
beide Fahrstufen | Sensitivität | 4/5 (hoher Wert=viel eigene Kraft erforderlich) |
Trainingseffekt:
Die Einstellbarkeit der Sensitivität der Greifreifen bietet in Kombination mit der Einstellbarkeit der max. Kraftunterstützung die Möglichkeit, eine sehr differenzierte therapeutische Wirkung (Training) zu realisieren.
So kann z.B. durch das Herabsetzen der Greifreifensensitivität (Erhöhung der Parameter 0/1) ein relativ hoher Kraftaufwand für den Startimpuls der Motoren eingestellt werden. Auf diese Weise ist es möglich, auch bei hoher max. Motorunterstützung immer noch einen Trainingseffekt zu erzielen.
Nach wenigen Tagen kam ich sehr gut und ohne größere Karambolagen mit dem Antrieb zurecht. Die größten Anfangsschwierigkeiten bereitete mir das gleichmäßige Antreiben und die Frage, mit welcher Kraft ich die Greifreifen anfassen muss. Sobald ich das herausgefunden hatte, ging alles ganz easy.
Draußen war Sauwetter, deswegen blieb ich erst mal drinnen. Der e-motion M15 zeigte sich von seiner besten Seite und schnell mochte ich gar nicht mehr ohne diese Hilfe sein.
Als sich der Frühling endlich Bahn brach und die Sonne ab und zu schien, ging‘s natürlich nach Draußen. Im Klinikpark waren für uns Rollifahrer lange Rampen, mit zum Teil erheblichen Steigungen angelegt, die ich ohne Motorkraft keinesfalls geschafft hätte.
Aber auch mit Motorkraft gab‘s etwas Probleme.


Es zeigte sich, dass meine „Indoor-Einstellungen“ für die Nutzung draußen wenig geeignet waren. Insbesondere für die steileren Steigungen hätte ich einen höheren Grad an Motorunterstützung benötigt.
Hier wäre eine dritte, auf diese Anforderungen eingestellte Fahrstufe prima gewesen. Leider gibt es diese Möglichkeit aber nicht!
Also muss man (so man hat und kann!) erst mal den Programmierschlüssel herauskramen und die Steuerung umprogrammieren. Das ist lästig und ärgerlich! Außerdem läuft man, insbesondere draußen, ständig Gefahr, das alberne Plastikschlüsselchen zu verlieren.
Damit kommen wir zu meinem Haupt-Kritikpunkt an dem e-motion Antrieb:
Die Fernbedienung
Leider wird sie nur als optionales Zubehör angeboten. Alber gibt dafür „Erstattungsgründe“ an.
Ohne diese Fernbedienung muss man auf die Rückrollverzögerung und die 2. Fahrstufe verzichten. Sie lassen sich nur mit ihr aktivieren. Das ist ärgerlich.

Die Alber Fernbedienung ist im Vergleich zu heutigen Fernbedienung zum einem veraltet (was den Funktionsumfang anbelangt) und zum anderen enorm groß. Die FB passt weder in die Hosen- noch Brusttaschen. Wieso? - fragt man sich.
Fernbedienungen mit zig Funktionen gibt es in Scheckkartengröße für alle möglichen Geräte, ganz abgesehen von Handys mit tausendfach höherem Funktionsumfang.
Auf Nachfrage teilte uns Alber mit, dass die FB im Jahre 2007 in Kooperation mit namhaften Therapeuten und Kliniken entwickelt und auf ihre Anwendbarkeit auch für Menschen mit sehr eingeschränkten motorischen Fähigkeiten überprüft wurden. Daher die großen Tasten, welche enorm weit auseinander liegen. Ehrenwert – jedoch trotzdem zu klobig!
Alber kennt diese Problem natürlich und hat der FB ein Schlüsselband spendiert, mir dem man sie, wie eine Kuhglocke, um den Hals (!) tragen kann. Sehr unbequem. Also legt man sich das Ding zwischen die Beine, wo es natürlich nicht bleibt, sondern der Schwerkraft folgend, so weit wie nur irgend möglich, davon fliegt. Echt blöd!
Aber selbst wenn man der FB noch nicht verlustig gegangen ist, trübt der arg begrenzte Funktionsumfang die Freude an dem Ding erheblich.
Alber erwartet von seinen Kunden, dass sie jedes Mal, wenn sie andere, als in den beiden Modi zur Verfügung stehende Fahrparameter benötigen, beim Sanitätshaus (die mit dem Programmierschlüssel) vorfahren. Das verursacht neben völlig überflüssigen Kosten, vor allem eine Menge Ärger und ist einfach nur lästig.
Wenn schon nur der Händler an die Einstellungen der Steuerung darf, warum hat dann die FB nicht wenigstens 4 oder 5 Modi, die programmiert werden können?

Viel besser wäre allerdings, wenn man während der Nutzung des Rollis selbst die Nachlaufzeiten und den Grad der Motorunterstützung an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen könnte. Würde man die Einstellungen statt in definierten Abstufungen stufenlos anpassen können, könnte man damit sehr viel differenzierter auf Unterschiede zwischen linkem und rechtem Antriebsarm reagieren.
Den Plastik-Schlüssel könnte man durch einen Zugangs-Code ersetzen, so dass man den Schlüssel nicht verlieren kann. (Zugegeben, dann vergisst man halt den Code und steht wieder ohne Schlüssel da!)
Statt für jeden Modus einen Knopf zu verbauen, könnte man die Steuerung auch über ein Auswahlmenü bedienen. Solche Menü- Bedienungen sind heute, in Zeiten in denen kaum noch jemand ohne Handy unterwegs ist, selbst den Senioren vertraut.
Alber teilte mir auf Nachfrage mit, dass die FB überarbeitet würde und das Folgemodell deutlich Bedienerfreundlicher sein werde.
Fairerweise muss gesagt werden, dass von den Mitbewerbern, die ähnliche Antriebe anbieten, nur ein einziger eine FB anbietet. Die lässt allerdings nur die Wahl zwischen 2 vordefinierten Fahrstufen zu. Die Parameter für Sensitivität, Anlaufzeit, Kraftunterstützung und Nachlaufzeit können nicht eingestellt werden. Bei allen anderen Anbietern können überhaupt keine Einstellungen vorgenommen werden. Hier muss bereits bei der Bestellung eine von nur 2 möglichen Unterstützungsstufen ausgewählt werden.
Die Jungs von behindert-barrierefrei.de haben ein kleines Video zu der FB erstellt.
Fazit
Der e-motion M15 schont mit seiner differenziert regelbaren Kraftunterstützung Bänder und Gelenke im Schulter- Arm- und Handbereich und dient so der Prophylaxe typischer, durch das Rollstuhlfahren hervorgerufener Langzeitschädigungen. Er ermöglicht aber auch bei schon geschädigten Bändern und Gelenken die Weiterbenutzung eines manuellen Rollstuhls, so dass man nicht auf die Vorteile leichter und wendiger manueller Rollstühle verzichten muss.
Die Möglichkeit den Rollstuhl selbst aktiv anzutreiben und den Motor als Unterstützung zu nutzen, bietet insbesondere bei Patienten mit geschwächter Muskulatur auch die Möglichkeit, den Rollstuhl therapeutisch einzusetzen.
Die anfänglichen Schwierigkeiten beim Geradeausfahren waren schon nach wenigen Tagen gänzlich behoben. An die vielfältigen Möglichkeiten, den Antrieb auf seine spezifischen Erfordernisse anzupassen, muss man sich nach und nach heran tasten. Das ist zwar mit viel Ausprobieren verbunden, belohnt einen aber mit perfektem Handling und jeder Menge Spaß.
Insbesondere auf Reisen (Transport) ist man froh, statt eines schweren E-Rollis, mit dem e-motion plus Aktivrollstuhl ein leichtes und wendiges Fahrzeug zur Verfügung zu haben.
Leider scheinen die Alber Entwickler sich bei die Entwicklung der FB deutlich weniger Mühe gegeben zu haben, als für den eigentlichen Antrieb, so dass sich die FB von höchst begrenztem Nutzen zeigt.
Mir hat der e-motion M15 viel Freude bereitet und nur sehr, sehr ungerne gebe ich ihn wieder zurück.
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